68

Wir sind fühlende Wesen mit der Fähigkeit zu denken. Nicht umgekehrt!

Deshalb ist gutes Marketing immer großes Kino. Mit leisen Tönen. Die Kunst der Verführung. Und doch lassen sich Gefühle nicht kaufen! Auch wenn ein Marketing-Guru dies in seinem – zugegebenermaßen genial aufgemachten Buch („Warum wir uns Gefühle kaufen„) – behauptet. Das Buch orientiert sich an den sieben Todsünden der Kirche (die ich in einem anderen Kontext ebenfalls und als Modell zur Transformation verwende), aus denen dann die vom Autor sogenannten „Sieben Hochgefühle“ hervorgehen. Diese Hochgefühle sollen durch allerlei spannende Inszenierungen ausgelöst werden (Oder, wie es in dem Buch heißt: „… wie es gelingt, Konsumenten diese willkommene Verführung anzubieten.“) und den emotionalen Kick auslösen, nach dem viele Menschen sich so sehr sehnen. Und bereitwillig eine Menge Geld dafür ausgeben.

Das ist soweit auch alles wunderbar. Nur hat es einen Haken: den Strohfeuer-Charakter. Diese Kicks halten ja nicht lange an. Und verlangen nach weiteren Kicks mit stetig steigender Intensität. Gute Werbung weiß, wie Aufmerksamkeit versklavt wird! Und genau dabei bleibt das Fühlen auf der Strecke …

Für mich ist das eigentlich Spannende an der ganzen Sache die Erkenntnis, dass es in unserer vermeintlich so rationalen und kopfgesteuerten Welt letztlich immer um das Fühlen geht. Von dem schon Goethe sagte: „Und was du nicht erfühlen kannst, das kannst du nicht erjagen!“ Anders ausgedrückt: Ich fühle, also bin ich. Und: ich fühle (dich), also bist DU. Das zu realisieren, ist wesentlich für ein erfülltes Leben. Und für gelungene Beziehungen!

Nur da, wo ich präsent bin, bin ich ganz Mensch. Und das kann ich nicht denken, das kann ich nur fühlen. Und nur da, wo ich mit dir präsent bin und dich fühle, entsteht echter Kontakt, eine echte Begegnung. Wenn ich dich denke, nehme ich dich in deinem Wesen nicht wirklich wahr, sondern betrachte dich durch den verzerrenden Schleier ebendieser Gedanken. Und bin getrennt. Was eine der – wenn nicht DIE – Hauptursache menschlichen Leidens ist: Das Gefühl des Getrenntseins von sich selbst und anderen!

In meiner täglichen Arbeit mit Menschen sowohl als Ergotherapeut wie auch als Trainer und Coach bin ich nur dann wirklich wirksam, wenn ich präsent bin und fühle. Mich fühle, mit allem, was sich in mir abspielt. Und mein Gegenüber fühle mit allem, was sich in ihm abspielt. Daraus kann dann das entstehen, was zum Gelingen führt. Wie auch immer das im Einzelfall aussehen mag.

Kürzlich bat mich ein ehemaliger Kursteilnehmer um Rat. Er beabsichtigt, sich als Coach in einer Branche selbständig zu machen, die – zumindest oberflächlich betrachtet – eher analytisch und rational und also kopfgesteuert ausgerichtet ist. Viele Zahlen, Bits & Bytes. Nichts „Fühliges“. Ihm ging es dann in seiner Bitte um meinen Rat auch weniger um eine Strategie – die hat er schon -, sondern mehr um seine innere Haltung seinen künftigen Klienten gegenüber. Also ein Beziehungsding. Was mit Menschen. Womit wir also wieder beim Fühlen sind (s.o.). Er hat für sich einige Eigenschaften definiert, die er als hilfreich erachtet. Und diese nun gerne in sich entwickeln und integrieren will.

Dazu hat er sich Merkkärtchen gebastelt, auf die er je eine dieser Eigenschaften notiert hat. Und diese so positioniert, dass er sich möglichst häufig am Tag daran erinnert. Doch das wird ebenso wenig funktionieren wie der alte (und nicht wirklich brauchbare) Selbstverbesserungstrick mit positiven Affirmationen, die in der ganzen Wohnung verteilt und an Wände und Kühlschränke geklebt werden.

Es funktioniert deswegen nicht, weil es auf der intellektuellen Ebene bleibt und gedacht und eben nicht gefühlt wird! („Und was du nicht erfühlen kannst, das kannst du nicht erjagen!“ – J. W. v. Goethe).

Fühlen ist eine Sache von Präsenz. Bewusstheit. Aufmerksamkeit. Fühlen bedeutet, mit der Aufmerksamkeit ohne Ablenkung bei etwas oder jemandem zu sein. Und das ist etwas, das sich üben lässt. Aber nicht kaufen. Große Gefühle wecken durch großartige und außergewöhnliche Inszenierungen ist wunderbar … für den Moment. So wie ein guter Film. Doch wesentlich ist das, was bleibt, wenn der Film aus und das Strohfeuer verglimmt ist. Das, was wesentlich ist, ist das Fühlen.

 

„Zen ist Fühlen – reine, unverfälschte Wahrnehmung.

Wir werden als fühlende Wesen geboren, jedoch überlagern unsere im Laufe der Zeit entwickelten Gewohnheiten diese Fähigkeit.

Fühlen ist nichts, was zum Gewohnten noch hinzukommt, sondern das Beseitigen all dessen, was nicht Fühlen ist.

Fühlen als solches ist sehr heilsam. Alle Probleme, Schwierigkeiten und Konflikte lösen sich im reinen, klaren Strahlen eines Augenblicks des Fühlens auf.

Fühlen ist einfach so. Kein Bewerten, kein Analysieren.“

– Dae Gak

Zum Vertiefen:

Radikale Intimität – die Ekstase der Freiheit

(Sonderaktion bis 15. Jan. 2016!)

0 comments

XHTML: You can use these tags: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>