Der leichte Tanz mit den Höhen und Tiefen des Lebens
Präsent, frisch, wach und frei – dies ist unser ursprünglicher Zustand
Doch was ist es, das wir tatsächlich täglich erleben?
Wie präsent, frisch, wach und frei fühlen wir uns denn wirklich?
In unserem Alltag? Unserem Job? Unseren Beziehungen?
Wie wir uns selbst im Weg stehen
Im Laufe unseres Lebens haben wir eine Menge Gedanken und Ideen über das Leben entwickelt, die wir irgendwie für nützlich hielten und von denen wir annahmen, dass sie für unsere Überleben notwendig seien. Und vielleicht waren sie das auch eine Zeit lang, in bestimmten Situationen und unter bestimmten Umständen.
Doch mit der Zeit haben sich diese Gedanken und Ideen verselbständigt und vervielfacht, und heute stehen sie einem Leben in Freiheit im Wege.
Ja, wir wollen frei sein
Und oft glauben wir auch, frei zu sein, weil wir vieles tun können, das anderen vorenthalten ist.
Aber sind wir wirklich frei? Haben wir die Freiheit zu sein, wie wir wirklich sind?
Wenn wir ehrlich sind, dann lautet die Antwort: Nein! Wir sind nicht wirklich frei. Denn wirkliche Freiheit hat etwas mit einem weiten, ausgedehnten Bewusstsein zu tun – das ist die Freiheit, so zu sein, wie wir wirklich sind.
Sind wir aber nicht!
Und es hilft wenig, anderen die Schuld zu geben, dass wir nicht frei sind. Weder unsere Eltern, noch die Regierung, auch der Pfarrer und der liebe Gott können nichts dafür – wir selbst halten uns von der Freiheit ab. Doch wie machen wir das? Und – das war doch nicht immer so! Hallo …?
Wenn du kleine Kinder betrachtest, dann sieht du freie Menschen
Diese kleinen, in ihrer Lebendigkeit ungezügelten Menschen tun, was sie wollen. Sie spielen, sie toben, sie schreien. Und sie lachen – kleine Kinder haben eine Menge Spaß am Leben und lachen über alles und jeden.
Sie sorgen sich nicht über die Vergangenheit und scheren sich nicht weiter um die Zukunft. Sie leben präsent, mit ihrer Aufmerksamkeit in der Gegenwart.
Sie haben keine Angst zu fühlen, und sie haben keine Angst, ihre Gefühle auszudrücken. Und sie haben keine Angst zu lieben. Kleine Kinder lieben hemmungslos und bedingungslos.
Unsere normale menschliche Tendenz ist es, das Leben zu genießen, zu spielen, zu forschen, glücklich zu sein und zu lieben.
Aber was ist mit uns „Großen“ passiert? Warum sind wir nicht mehr wild und ungezügelt? Was hält uns davon ab, zu lieben, zu lachen und einfach grundlos glücklich zu sein?
Gefangen in der Zeitfalle
Als wir geboren wurden, waren wir völlig wach und präsent. Dann haben wir gelernt, in der Vergangenheit und in der Zukunft zu leben. Wenn du kleine Kinder beobachtest, verstehst du, von was ich spreche. Sie sind sehr wach und sehr präsent – bis sie es verlernen.
Vielleicht ist das der Grund, weshalb die Zeit langsamer verging, als wir jung waren und uns davon zu rasen droht, wenn wir älter werden.
Es scheint, dass je älter wir werden, umso mehr Vergangenheit und Zukunft unseren Kopf füllt und die Gegenwart verdrängt. Und das sorgt für eine Menge Stress.
Die Gedankenmühle rotiert
Es denkt und denkt und denkt … ununterbrochen, 80.0000 mal am Tag, 7 Tage in der Woche, 365 Tage im Jahr – und das ein Leben lang.
Wie wilde Affen im Dschungel jagt ein Gedanke den nächsten, so dass es in unserem Verstand eigentlich nie wirklich still ist. Unsere Affengedanken machen uns ganz schön zu schaffen. Und das hat Folgen.
Denn unsere innere Affenbande – unsere rastlosen Gedanken – haben eine unglaubliche Macht über uns. Solange wir keine Macht über unsere Gedanken haben – indem wir sie durchschauen!
Denn wir werden zu dem, was wir denken
Wahrscheinlich ist dir das nicht neu, doch vielleicht ist Dir nicht immer völlig klar, was das tatsächlich bedeutet.
Denn all unsere Probleme, Neurosen und Schwierigkeiten, unsere Ängste, Zweifel und Sorgen haben ihre Ursache in blockierter Aufmerksamkeit, die in ständig wiederkehrenden negativen Gedanken feststeckt.
Und je mehr wir diesen Gedanken, die uns nicht wirklich gut tun, Aufmerksamkeit geben, umso mehr bestimmen sie unser Leben.
Wo unser Denken uns hinführt
Der tibetische Meditationsmeister Chökyi Nyima sagt dazu:
„Das Denken, das Klammern an Dualität, ist wie eine Schicht Wolken, welche die gedankenfreie Wachheit bedeckt, die der strahlenden Sonne gleicht. Unser Denken verdunkelt unsere Natur. Unser Denken schafft alle störenden Emotionen. In Wirklichkeit entfalten sich alle Hindernisse und störenden Emotionen aus unserem Denken.“
Hm, und nun? Sollen wir jetzt nur noch positiv denken? Oder am Ende sogar ganz und gar aufhören, zu denken?
Und – was ist es überhaupt, was uns zu unserer pausenlosen Denkerei veranlasst?
Eigentlich wollen wir uns doch nur gut fühlen
Als Menschen sind wir fühlende Wesen , mit dem Bestreben, uns gut zu fühlen bzw. zu vermeiden, dass wir uns schlecht fühlen. Um uns gut zu fühlen, ist uns keine Anstrengung groß genug, sei es jetzt im beruflichen Bereich oder auch in Partnerschaften und Beziehungen.
Viele Menschen haben, um sich in ihren Anstrengungen zu unterstützen, das Positive Denken entdeckt. Nun ist gegen positives Denken bzw. eine grundsätzlich positive Einstellung nichts einzuwenden – immer noch besser als eine negative, griesgrämige, oder?
Die Sache mit dem Positiven Denken hat jedoch einen Haken – zum einen nämlich das Bedürfnis, sich gut zu fühlen, zum anderen das positive Denken an sich.
- Zum Bedürfnis, sich gut zu fühlen: Was bedeutet es eigentlich, sich gut zu fühlen? Oder: was bedeutet in diesem Zusammenhang gut? Ist es nicht so, dass es da, wo es gut gibt, auch sein Gegenteil, nämlich schlecht, gleich um die Ecke lauert? Und ist vielleicht gar nicht so sehr das Bestreben, uns gut zu fühlen, der entscheidende Auslöser zum positiven Denken, sondern die gegensätzliche Spannung zwischen gut und böse, richtig und falsch usw., die uns viel mehr zu schaffen macht?
- Zum positiven Denken an sich: es ist ja wirklich unglaublich populär geworden, dieses positive Denken, denn es haut ja genau in die Kerbe unseres dringenden Bedürfnisses nach Wohlfühlen.
Nur – es funktioniert nicht! Nicht wirklich. Hast Du es schon mal ausprobiert? Von morgens bis abends positiv gedacht, vielleicht dabei noch sämtliche Wände und Spiegel mit wohlklingenden Affirmationen beklebt, damit Du bei jeder sich bietenden Gelegenheit mit der Nase auf das gestumpt werden, was NICHT Deiner tatsächlichen Realität entspricht?!
Was macht positives Denken erst notwendig?
Die Idee, dass irgendwas nicht stimmt. Diese Idee existiert irgendwo in den Tiefen unseres Bewusstseins. Durch diese Idee hindurch nehmen wir unsere Welt wahr und denken, fühlen und handeln entsprechend.
Doch das, was wir da denken, fühlen und in die Tat umsetzen, gefällt uns nicht. Wir wollen es ändern. Also gehen wir hin und denken positiv – in diesem Fall, etwas plakativ: Mit mir stimmt alles. Ich bin okay.
So weit, so gut. Und was haben wir jetzt tatsächlich getan? Wir haben eine neue Idee über die alte gelegt; ich nenne das auch: ein Sahnehäubchen auf den Müll setzen
Denn der Müll, die alten Ideen und Gedanken von Unzulänglichkeit und ähnlichem, sind ja weiterhin vorhanden, nur jetzt eben gut zugedeckt. Was sie jedoch nicht davon abhält, spätestens in stressigen Situationen, wenn uns die Kraft zum positiven Denken ausgeht, wieder zu erscheinen – und dann meistens noch mit größerer Wucht, verbunden mit dem Gefühl, nun auch noch mit dem Positiven Denken versagt zu haben. Doppelter Volltreffer sozusagen.
Der Weg aus diesem Dilemma ist also, nicht noch mehr Gedanken und Ideen in das Bewusstsein zu stopfen, sondern mehr und mehr Ideen zu beseitigen und aufzulösen.
Jenseits von richtig und falsch besteht keine Notwendigkeit mehr für positives Denken
Es besteht auch keine Notwendigkeit mehr nach dem Bedürfnis, sich gut zu fühlen. Der Punkt ist also, gar nicht so sehr, dich gut fühlen zu wollen oder zu müssen – es ist vielmehr der Widerstand dagegen, dich schlecht zu fühlen. Und du wirst dich immer früher oder später schlecht fühlen, wenn du dich zuvor gut gefühlt hast, da du darum bemüht bist, an dem guten Gefühl festzuhalten. Und dieses Festhalten am dem, was du als gut bzw. richtig bezeichnest, sorgt im Umkehrschluß für die negativen Gedanken und Gefühle. Du kannst das eine nicht ohne da sandere haben.
Der Ausweg aus diesem Dilemma?
Das Unterscheiden zwischen gut und schlecht, richtig und falsch usw. aufzugeben. Denn diese Unterscheidungen sind völlig willkürlich, was sich leicht feststellen läßt, wenn du mal schaust, was für wen richtig und falsch ist. Da hat jeder so seine eigenen Vorlieben, und auch diese wechseln manchmal recht schnell, je nach Laune und Tagesform.
Es geht also darum, die eigene Gegensätzlichkeit und Widersprüchlichkeit zu überwinden. Oder, wie der islamische Mystiker Rumi schrieb:
Weit jenseits aller Vorstellung von Falsch und Richtig ist ein Feld. Dort werde ich dich treffen.
Wenn wir also unser Bewusstsein ausdehnen und einen größeren und umfassenderenStandpunkt einnehmen, der sich über die innere Widersprüchlichkeit unseres Verstandes erhebt, ermöglichen wir uns damit eine Perspektive, von der aus wir mehr und weiter sehen können. Das meine ich mit ‚jenseits von richtig und falsch‘.
Auf diese Weise finden wir Stück für Stück zu unserer ursprünglichen Integrität und Ganzheit zurück und fangen an, uns wirklich gut zu fühlen – ohne dies zu beabsichtigen und auch ohne es überhaupt als solches zu bezeichnen. Es ist dann einfach so – willkommen daheim
„Erleuchtung ist der Zustand, der frei ist vom Netz konzeptueller Gedanken.
Der Zustand der Erleuchtung ist gedankenfreie Wachheit.“
(Chökyi Nyima)